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Geschichte der Pädiatrischen Psychosomatik

Ihren Beginn verzeichnet die heute an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde angesiedelte Pädiatrische Psychosomatik (bestehend aus der Tagesklinischen Station für Psychosomatik und der Psychosomatischen Ambulanz) Anfang des 20. Jahrhunderts.

Zu diesem Zeitpunkt riefen der damalige Leiter der neu gegründeten Kinderklinik, Prof. Clemens von Pirquet, und der Leiter der psychiatrischen Abteilung, Prof. Julius Wagner-Jauregg, die erste Heilpädagogische Abteilung ins Leben. Damit lenkten sie die Behandlung von psychisch kranken Kindern in eine international beispiellose Richtung: weg von der bisherigen überwiegend psychiatrisch geprägten Versorgung und hin zu einem multidisziplinären Ansatz, der neben der medizinisch-psychiatrischen Zugangsweise auch heilpädagogische, psychologische und sozialpsychiatrische Theorien und Modelle berücksichtigte. Erster Leiter dieser Einrichtung war, bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1932, Dr. Erwin Lazar, der mit seiner sowohl psychiatrischen als auch pädiatrischen Ausbildung der Interdisziplinarität dieses Arbeitsbereichs genüge tat.

Anschließend übernahm Prof. Hans Asperger die Station und legte, neben seiner maßgeblichen Arbeit zum Autismus, einen Grundstein nicht nur für die Forcierung eines multidisziplinär geprägten bio-psycho-sozialen Arbeitsansatzes, sondern auch für die Sonderstellung der Heilpädagogischen Abteilung. Diese führte in den darauffolgenden Jahren zu wiederkehrenden Debatten um die Zugehörigkeit der Station, bis sie 1975 mit der Neugründung der heutigen Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde dieser formal zugeordnet wurde. Als Heilpädagogische Station blieb die Einrichtung bis 2003 bestehen, jedoch erlebte sie unter der Leitung von Primarius Dr. Werner Leixnering eine erhebliche Umgestaltung ihrer inhaltlichen Ausrichtung: So erfolgte einerseits eine weitgehende Öffnung der Heilpädagogik, indem beispielsweise die Eltern der Patient:innen nun im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes auch in die Behandlung einbezogen wurden. Andererseits fand eine Verschiebung der Schwerpunktsetzung hin zu einer vermehrten Konzentration auf die Disziplin der Psychosomatik statt.

Zwischen 2003 und 2008 wurde eine interdisziplinäre tagesklinische Station sowohl von der Pädiatrie als auch von der Kinder- und Jugendpsychiatrie betrieben, bis sie 2008 in die Organisationsstruktur zunächst der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde zugeordnet und anschließend – im Zuge weiterer Umstrukturierungen – 2010 in die Abteilung für Pädiatrische Pulmologie, Allergologie und Endokrinologie eingegliedert wurde. Die Bezeichnung Heilpädagogik wurde gestrichen, weil diese Begrifflichkeit nicht mehr zeitgemäß war, und heute firmieren die aktuelle Ambulante Tagesklinik für Psychosomatik (ATK) und die Psychosomatische Ambulanz unter dem Sammelbegriff „Pädiatrische Psychosomatik“. Sie bleibt weiterhin dem interdisziplinären und ganzheitlichen Behandlungsansatz verschrieben, indem sie nicht nur diverse psychosoziale Berufsgruppen in einem gemeinsamen Auftrag vereint, sondern darüber hinaus im Sinne eines bio-psycho-sozialen Modells das soziale Umfeld des Kindes wie auch biologische Faktoren und psychische Vulnerabilitäten in die Behandlung miteinbezieht.

Pollak, A. (Hrsg.): Festschrift 100 Jahre Wiener Universitätsklinik für Kinder-und Jugendheilkunde. Wien, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, 2011